Die Sauerstoffmaske

Wer schon einmal geflogen ist und bei der Erklärung der Sicherheitsinformationen aufgepasst hat, der kennt eines der wichtigsten Gebote, die dabei vermittelt werden: Im Falle von Sauerstoffmangel fallen Sauerstoffmasken für die Passagiere aus Fächern über den Köpfen. Die Anweisung besagt, dass ein Erwachsener sich zuerst selbst die Maske aufsetzen soll. Erst danach soll er sich denjenigen zuwenden, die Hilfe dabei brauchen, z.B. Kindern. 

 

Der Hintergrund ist natürlich, dass man nur dann dem anderen helfen kann, wenn man selbst nicht gerade an akutem Sauerstoffmangel leidet. Ist das Kind z.B. vielleicht aus Angst, gerade wenig kooperativ oder dauert es aus einem anderen Grund länger, kann dem Helfer, der vielleicht als einziger gerade überhaupt dazu in der Lage wäre, zu helfen, buchstäblich die Luft ausgehen.

 

In meiner Übungsgruppe und in meinem Seminaren wähle ich gerne dieses Beispiel, um klar zu machen, wie wichtig es ist, sich in einem Konflikt (quasi dem Sauerstoffmangel) selbst als erstes Empathie zu geben. Das gilt nicht nur für den Umgang mit Kindern, auch wenn es hier besonders wichtig ist. Ich kann nämlich nur dann empathisch sein, ich kann nur dann meinem Bedürfnis, zum Leben eines anderen sinnvoll beizutragen, zu Verbindung oder Fürsorge und Verständnis nachkommen, wenn ich selbst gerade nicht oder zumindest nicht zu sehr im Mangel bin.

 

Wenn ich also merke, dass ich z.B. vor Zorn koche, dann ist es wichtig, mir erst selbst Empathie zu geben: Was ist gerade passiert? Wie geht es mir gerade? Was brauche ich im Moment? Häufig reicht es schon, dass kurz und still für mich zu tun und ich kann mit mir vereinbaren, mich um mein Bedürfnis später zu kümmern (Erwachsen zu sein hat auch Vorteile).

 

Diese, manchmal sehr kleine Menge an Selbstempathie bringt oft schon die Entspannung mit sich, die ich brauche, um mich empathisch meinem Gegenüber zuzuwenden, z. B. dem Kind vor mir oder auch dem anderen Erwachsenen gegenüber, das/ der diese Empathie gerade dringend braucht - ich bin dann bereit mich mit ihm zu verbinden, seine akuten Bedürfnisse zu verstehen und vielleicht so mit ihm zusammen eine Lösung zu finden, die für uns beide gleichermaßen passt, oder gemeinsam zu bedauern, wenn das nicht gelingt.

 

Ich habe dann quasi Luft zum Handeln ;)

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